Seit 13 Jahren wohne ich in Nordrhein-Westfalen. Mittlerweile ist es mein Zuhause. Es dauerte aber lange, bis ich mich mit diesem Bundesland identifiziert habe. Der Grund für diese "Verzögerung": Die Menschen hier. Warum ich heute NRW und insbesondere das Rheinland so mag: Die Menschen hier.
2003 zog ich mit meiner heutigen Frau in ihre Heimatstadt Herne, 2005 nach Dortmund. Heimisch fühlte ich mich nicht. Im Gegenteil. In meinem hiesigen Freundeskreis sahen einige das Ruhrgebiet als was Besseres. Besser als meine schwäbische Heimat, die als provinziell und konservativ abgetan und deren Dialekt belächelt wurde. Dieses Naserümpfen über Baden-Württemberg und Schwaben hat mich lange sehr eingenommen gegen das Ruhrgebiet und NRW als Ganzes.
Lichtblicke waren da neben meinem (trotzdem sehr netten) und auch wachsenden Freundeskreis zwei Dinge: Die Currywurst und der Fußball. Essen und Fußball - beides die Dinge, die mich emotional am meisten ansprechen.
Als Fußballfan schlug mein Herz im Ruhrgebiet höher. Kein anderes Bundesland kann so eine Fußballdichte bieten wie NRW. Bis auf Wuppertal und Uerdingen habe ich nach und nach auch alle für mich nennenswerten Fußballstadien besucht*. Fußball ist für mich bis heute ein wesentlicher Teil der NRW-Kultur und macht dieses Bundesland besonders.
Essen und Trinken ist für mich wichtige Identifikation. Bis heute bin ich sehr durch schwäbischen Kartoffelsalat und Laugenwecken und -brezeln (u.a.) geprägt. Ich habe im Nachhinein gemerkt, dass mir diese kulturstiftenden Spezialitäten im Ruhrgebiet fehlten. Geschichtlich bedingt hat sich dort in den vergangenen 150 Jahren nun mal keine großartig eigenständige Küche entwickeln können. Ja, es gibt da natürlich bodenständige Gerichte und Eintöpfe. Ich bin aber halt kein großer Fan von Eintöpfen und Suppen, sodass Graupensuppe und Möhrendurcheinander bei einer der Großmütter meiner Frau bis heute keine Begeisterungsstürme bei mir auslösen (dafür bei meiner Frau...).
Doch ein ausgeprägte Imbisskultur, die hat sich im Ruhrgebiet entwickelt. Und die erste Currywurst meines Lebens aß ich denn auch beim berühmten Bratwursthaus im Bochumer Bermudadreieck. Großartig. Und so platt das klingt: Die Currywurst und die Imbisskultur als Ganzes haben stark dazu beigetragen, dass ich das Ruhrgebiet und NRW positiver angenommen habe. Das erste Mal, dass ich spontan "Aber bei uns im Ruhrgebiet" dachte, war bei einem Junggesellenabschied andernorts, als ich eine fade Currywurst aß. Gedanke O-Ton: "Boah, bei uns im Ruhrgebiet, da gibt es richtige Currywurst!"
Nach unserem Umzug nach Köln 2006 haben das rheinische Schwarzbrot, Mettbrötchen und Rievvekoche mir ebenfalls geholfen, mich in Nordrhein-Westfalen heimisch(er) zu fühlen.
"Klassiker", wie die Geburt meiner Kinder in Köln und dass wir auf der Schäl Sick ein Haus gekauft haben, haben mein Interesse an NRW und meine Identifikation mit diesem Bundesland logischerweise verstärkt. Auch dass ich als Dorfkind ländliche Regionen im Bergischen Land, Sauerland und dem Niederrhein besser kennengelernt habe, hat meinen Blick auf das Bundesland als Ganzes verändert.
Doch wirklich Klick hat es anderer Stelle gemacht: Beim Rheinländer. Bis 2006 habe ich es trotz diverser Wohnortwechsel für einen Mythos und Klischee gehalten, dass Menschen in bestimmten Städten und Regionen sich stark voneinander unterscheiden. Dialekt/Sprache, Essen und Landschaft/Wetter ja, aber nicht die Menschen und ihr Auftreten. Die Kölner haben mich eines Besseren belehrt (und ich setze den Kölner hier mal synonym mit dem Rheinländer).
Köln ist inklusiv. Die Stadt schließt keinen aus, der Köln mag. "Du magst Köln?! Recht hast Du! Setz dich hin, trink einen mit, du gehörst doch dazu."** Diese Einstellung liebe ich an Köln und vermisse sie in vielen anderen Städten, nicht zuletzt unserer Bundeshauptstadt. Der Kölner redet mit Dir. Teilweise unvermittelt. Manchmal selbstverliebt. Bei Köln selbst werden Kölner/innen sentimental. All das ist durchaus mal anstrengend, aber es ist gut. Mit diesen Eigenheiten haben die Kölnerinnen und Kölner Köln, das Rheinland und Nordrhein-Westfalen zu meinem Zuhause gemacht.
Mal sehen, was meine Frau und ich machen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Die Chancen stehen aber gut, dass wir zum 100. Geburtstag von NRW immer noch in Nordrhein-Westfalen leben. Wenn ja, dann werde ich mir bis dahin auch Fußballspiele in den Stadien Wuppertal und Uerdingen angesehen haben.
* Spiele bei Westfalia Herne, VfL Bochum, SG Wattenscheid 09, Rot-Weiß Oberhausen, Rot-Weiß Essen, MSV Duisburg, Preußen Münster, Alemannia Aachen, Fortuna Düsseldorf, Borussia Mönchengladbach, Viktoria Köln, Fortuna Köln, Arminia Bielefeld, 1.FC Köln, Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund, BVB Amateure und Schalke 04.
**Ich verkneife es mir, zu versuchen, diese Aussagen "op Kölsch" zu schreiben. Käme nix Gescheites bei rum.
Dieser Text ist Teil der Blogparade von "NRW - Leben zwischen Rhein und Weser" vom Blog "Genussgier".
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